Montag, 7. März 2011

wahl(qual)

über habituelle entscheidungsfindung:

in der
perzeption/wahrnehmungspsychologie ist das berücksichtigungsfeld/evoked set die (subjektive, als relevant erachtete) summe aller faktoren eines indivitduums "at the front of his or her mind".
sie bestimmt definitiv wofür wir uns entscheiden.

das
evoked Set/awareness set ist nicht gleichbedeutend mit dem total set, der menge aller alternativen.
http://www.medialine.de/deutsch/wissen/medialexikon.php?snr=1708

textauszug: sascha langner
Die menschliche Entscheidungsfindung ist ein diffiziler Vorgang: Alternativen müssen gegeneinander abgewogen, Vor- und Nachteile in Betracht gezogen und persönliche Vorlieben berücksichtigt werden. Es liegt auf der Hand, dass bei Unsicherheit und einer Vielzahl von Optionen der Aufwand für das Gehirn eine Entscheidung zu treffen, enorm steigt. Menschen haben deshalb über Generationen hinweg Verhaltensmuster zur Komplexitätsreduktion entwickelt. Diese gelernten Schemata laufen heutzutage quasi automatisch ab. Doch gerade das reaktive Verhalten bietet wiederum viele Möglichkeiten zur Manipulation.

Wer die Handlungsmuster kennt und zu instrumentalisieren weiß, dem bieten sich eine Fülle von Möglichkeiten, das Konsumentenverhalten gezielt zu beeinflussen. Vor allem im Internet, wo quasi sekündlich Entscheidungen getroffen werden müssen (klicke ich auf den Link, oder nicht?), bieten sich dadurch eine Vielzahl von Gestaltungsoptionen.


Ein Experiment

In der psychologischen Fachliteratur gibt es viele Beispiele, die die verkürzten Gedankenvorgänge im Rahmen der Entscheidungsfindung im Gehirn verdeutlichen. Das folgende Experiment zeigt dies sehr anschaulich.

Fertig? Los...

Denken Sie sich eine Eissorte

Stopp.

Was haben Sie jetzt gemacht? Sind Sie im Geiste alle Ihnen bekannten Eissorten durchgegangen?

Mit Sicherheit nicht. Wahrscheinlich waren es vier oder fünf Geschmacksrichtungen - nicht mehr.

Doch warum hatte Ihr Kopf schon vorher eine Auswahl der interessanten Varianten für Sie vorgehalten?

Anders als man vielleicht zunächst denken würde, hat das Gehirn nicht etwa die Eissorten vorgeschlagen, die es mag, sondern genau das Gegenteil. In dem Bruchteil einer Sekunde hat es alle Varianten ausgeschlossen, die es als uninteressant empfand.

Das gleiche passiert, wenn Sie an der Theke einer Eisdiele stehen und sich für drei unterschiedliche Kugeln Eis entscheiden müssen. Auch hier schließen Sie Schritt für Schritt alle Sorten aus, die für Sie nicht in Frage kommen.


Die Qual der Wahl

An der Eistheke zeigen sich jedoch auch die Unterschiede zwischen der stark und der schwach kognitiven (willentlich gesteuerten) Entscheidungsfindung.

Je mehr Alternativen ein Mensch wahrnimmt, aus denen er entscheiden muss, desto bewusster wird der Entscheidungsprozess und desto größer wird auch der Aufwand des Eliminierens von unpassenden Varianten. Die Betonung liegt dabei auf der Wahrnehmung. Wie das obige Experiment zeigt, ist es für jeden von uns innerhalb von Sekunden möglich, eine oder zwei Lieblingseissorten zu nennen. Nehmen wir jedoch 20 unterschiedliche Sorten wahr (wie im Eisladen), so wird aus dem schwach willentlichen Entscheidungsprozess eine stark kognitive und somit sehr bewusste und langwierige Angelegenheit.

Das paradoxe an der Sache: Wir genießen es gar nicht, die Entscheidung zu treffen. Die "Qual" der Wahl ist uns häufig lästig. Gerne würde wir von Anfang an wissen, welche Eissorte wir wählen, oder welches Auto wir kaufen sollen und uns einfach nur gut dabei fühlen.

Es ist ein echtes Dilemma: Wir wollen zwar Entscheidungsfreiheit, haben wir sie schließlich, sind wir aber auch nicht wirklich glücklich. Die bewusste Entscheidungsfindung zieht nämlich fast zwangsläufig einen anstrengenden und häufig langwierigen Prozess des Nachdenkens und Eliminierens nach sich.


Kaufentscheidungen, Evoked Sets und "Top of Mind" Awareness

Eine große Alternativenmenge führt natürlich auch bei Kaufentscheidungen zu den gleichen Problemen. Je mehr Varianten für das Gehirn zu eliminieren sind, desto aufwendiger wird der Entscheidungsprozess. Vor allem im Internet, wo neben den Produkteigenschaften noch Lieferzeiten, Zahlungsmodalitäten, Rückgabemöglichkeiten und das Vertrauensverhältnis zum Händler bedacht werden müssen, wächst die Alternativenmenge schnell exponentiell. Das führt nicht selten dazu, dass Konsumenten verwirrt sind oder den Kauf eines Produkts aufschieben, um mehr Zeit zum Überlegen zu haben. Eine verheerende Folge für eine Website, wenn man bedenkt, dass der Nutzer womöglich nach seinen Überlegungen das ursprüngliche Internetangebot nicht mehr wiederfindet und bei der Konkurrenz bestellt.

Ebenso wie jeder die Frage nach einer Eissorte innerhalb von Sekunden beantworten kann, hat aber auch fast jeder Nutzer - abhängig vom Produkt oder der Dienstleistung - eine konkrete Vorstellung von guten Marken, akzeptablen Lieferzeiten oder der passenden Bezahlform. Diese subjektiv spontan erinnerte und für relevant erachtete Alternativenmenge wird im Marketing als "Evoked Set" (dt. ungefähr = in die Erinnerung gerufene Auswahl) bezeichnet[1]. Die spezifischen Marken, Produkte oder Eigenschaften der jeweiligen Auswahl bezeichnet man - bildlich gesprochen - als "Top of Mind".

Total Set und Evoked Set im Vergleich


Evoked Sets im Marketing

Je häufiger man mit seiner Website beispielsweise in Rahmen der Benutzerfreundlichkeit bestehende Evoked Sets, also individuelle Alternativenmengen anspricht, desto geringer ist die Chance, dass es zu Konsumentenverwirrtheit oder einem Entscheidungsaufschub kommt. Wer beispielsweise den Aufbau seines Online-Shops nach den Erwartungen seiner Zielgruppe gestaltet, verhindert schon auf der ersten Stufe (beispielsweise beim "Betreten" des Shops) extensive Gehirntätigkeiten und verbessert damit das Einkaufserlebnis.

Man muss jedoch nicht zwingend immer die Evoked Sets seiner Zielgruppe treffen. Der Clou ist, dass man die Auswahlzusammensetzung der "Top of Mind" Objekte gezielt durch die vorgegebene Anzahl an Optionen beeinflussen kann. An einem Beispiel lässt sich dies anschaulich verdeutlichen:

Mit Sicherheit ist Ihnen bei einer persönlichen Feier schon aufgefallen, dass man die Getränkewünsche seiner Gäste manipulieren kann. Stellt man die Frage "Bier oder Wein?", dann entscheiden sich die meisten für eine der beiden Alternativen. Ähnlich verhält es sich auch noch bei drei Auswahlmöglichkeiten. Stellt man dem Gast jedoch vor die Wahl "Bier, Wein, O-Saft oder Rum-Cola" zu trinken, dann werden Sie feststellen, dass der Gefragte erstens wesentlich länger für seine Entscheidung braucht und zweitens (viel wichtiger) etwas ganzes anderes wählt als vorgeschlagen. Probieren Sie es selbst einmal aus. Es ist wirklich verblüffend: Ab 3-4 Auswahlalternativen wird aus einer spontanen eine stark willentlich gesteuerte Entscheidung, die - durch die Vielzahl an unterschiedlichen Getränkewünschen - auch einen noch so gut vorbereiteten Gastgeber in arge Bedrängnis bringen kann.

Dass die Menschen so handeln ist aber nur logisch: Wird die Menge der individuell als "sicher" vorgehaltenen Alternativen überschritten, so interveniert die willentliche Steuerung des Geistes. Die Gefahr ist einfach zu groß, dass das reaktive Verhalten zu einer Fehlentscheidung führen könnte.

Um einfache und schnelle Entscheidungen zu begünstigen, darf sich die wahrgenommene und die relevante Alternativenmenge (Evoked Set) also nicht gravierend unterscheiden. Tut Sie es dennoch, führt dies zwangsläufig zu längeren Entscheidungsprozessen und womöglich zu einem Entscheidungsaufschub. Im Klartext heißt das: Bei allen nebensächlichen Entscheidungen in den vorgegebenen Alternativen möglichst Evoked Sets zu treffen. Dass das bei den vielen Meinungen und Haltungen in der Gesellschaft sehr schwierig ist, liegt auf der Hand. Die Lösung: Möglichst immer den kleinsten gemeinsamen Teiler finden:

manchmal ist weniger einfach mehr. Nicht nur um den Wer weniger über Nebensächliches nachdenken muss, fühlt sich einfach wesentlich besser.

http://www.marke-x.de/deutsch/webmarketing/archiv/evoked-sets.htm

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen